Dank Omas Stoffschrank habe ich einige Stoffe adoptiert, deren Zusammensetzung ich zum großen Teil nicht kenne.
In den letzten 35 Jahren hat wohl niemand mehr die Schranktüren geöffnet…Omas Nähmaschinen und Zubehör hat mein Vater aber leider schon vor vielen Jahren verkauft oder entrümpelt.
Sehr schade, denn sie war wohl eine ambitionierte Näherin und hatte mal bei Singer gearbeitet (und dort auch gerne reduzierte Coupons gekauft).
Über die Brennprobe zur Stoffbestimmung bin ich daher recht schnell gestolpert, aber ich fand wenig Hinweise, wie man die Sache am besten angeht.
Menschen, die sich bzw. die Stoffschnipsel dabei filmen scheinen auch nicht so häufig zu sein.
Da das kleine Büchlein „Stoff und Faden“ von Constanze Derham versprach auf dieses Thema einzugehen (und weil ich Nachschlagewerke sehr mag), habe ich mir das Mini-Materiallexikon gekauft. Und siehe da…ich habe mich endlich überwunden ein paar Stoffe abzufackeln (und dies bildlich festzuhalten).
Um die Flut an Bildern und Videos auf ein erträgliches Mass zu bringen, werde ich sie auf mehrere Beiträge zur Brennprobe aufteilen.
Dies ist der erste Teil, der sich mit der Vorbereitung und den ersten Versuchen beschäftigt:
Meine Vorbereitung ließ zu wünschen übrig. Ich musste Wohnung und Keller durchsuchen um eine Kerze und Streichhölzer zu finden…
Eine Pinzette und ein alter Teller waren aber schnell ausgemacht. Ebenso die Stoffproben.
Ich blieb am Esstisch, der weder ankokeln noch schmelzen kann. Alles andere, was da gerne mal liegt (Zeitschriften/Technik/Tischdecke/das Materiallexikon/Stoffproben) habe ich in sehr weiter Entfernung platziert.
Ich würde eine lange Pinzette empfehlen. Vorzugsweise alt bzw. nicht gerade die beste/teuerste/einzige Pinzette im Haushalt, die man für die Ovi braucht. Es ist damit zu rechnen, dass sie hinterher nicht mehr so aussieht wie vorher.
Eine Stoffschere zum Abschneiden kleiner Stückchen ist hilfreich, falls man nicht nur Fadenbündel an die Flamme halten möchte.
Gerade beim Filmen sollte man auf Umgebungsgeräusche, die man sonst gern ausblendet, achten. Der Hund des Nachbarn ist mir erst beim Anschauen des Videos so richtig aufgefallen:
Um ein Gefühl für die unterschiedlichen Flammen/Rückstände/Gerüche/Geräusche zu bekommen, habe ich zuerst ein paar mir bekannte Zusammensetzungen verbrannt. Ich wollte dabei die 4 häufigsten Bekleidungstextilien abdecken. Pflanzliche Naturfasern (Baumwolle, Leinen,…), tierische Naturfasern (Wolle, Seide,…), Chemiefasern mit natürlichem Ursprung (Viskose, Modal,…) und Chemiefasern mit synthetischem Ursprung (Polyester, Polyacryl,…).
Zu Beginn habe ich mich an die Anleitung im Buch gehalten und kleine Faden-Bündel verbrannt. Dabei war das ganze Spektakel relativ schnell vorbei und hinterließ wenig Rückstände. Daher bin ich auf kleine Stoffstückchen umgestiegen, was bei Wirkware auch die einzige Möglichkeit sein dürfte.
Rückstände von Leinen bei einer Brennprobe mit kleinem Bündeln von Fäden:
Rückstände von Leinen bei einer Brennprobe mit kleinem Stoffstück:
Allerdings sind bei vielen Mischgeweben Kett- und Schussfäden aus unterschiedlichen Materialien. Wenn man hier zu genaueren Ergebnissen kommen möchte, muss man auf jeden Fall die getrennten Fadenbündel anschauen. Wenn es sich bei den Fäden selbst aber schon um Zwirn- oder Fasermischungen handelt, hilft das auch nicht.
Das Smartphone hat gefilmt und fotografiert. Das merkt man leider qualitativ und gerade die Bilder waren eine anstrengende Angelegenheit ohne gescheite Fokuspunkte und unaufwendige, manuelle Mitbestimmung. Aber die „Große“ wollte ich nicht so nahe am Schauplatz haben. Nach den ersten Eindrücken war es eine Überlegung wert…andererseits kam mir der Aufwand übertrieben vor… Daher bleibt es bei leicht verwackelten Videos und Bildern in Schnappschussqualität.
Nun aber mal ran an die Flamme:
Begonnen habe ich mit Webware aus reiner Baumwolle.
Die ist aus Omas Stoffschrank, hatte aber noch ein Etikett.
(4 Mark für 2 Meter 20…das waren noch Zeiten. 😉 )
Das Stoffstück fängt schnell Feuer und brennt ruhig, leise und gleichmäßig ab.
Die Stoffränder kräuseln sich dabei ein und glühen nach.
Der Geruch ist dezent bis neutral.
Es bleiben zarte, helle Rückstände, die sich leicht, leise und vollständig verreiben lassen.
Da der Partner sich mittlerweile auch in der Küche eingefunden hat (das geschäftige Treiben hat ihn wohl in Alarmbereitschaft versetzt) und das Brennverhalten von Baumwolle nur mäßig spannend fand, hat er sich eine „Poly-Faser“ gewünscht:
Dieser Jersey ist aus Omas Stoffschrank. Leider ohne Bezeichnung.
Optisch und haptisch halte ich den Stoff für eine reine Chemiefaser mit synthetischem Ursprung.
Das Stoffstück braucht einen Moment um Feuer zu fangen. Danach brennt es wild und brodelnd.
Die Flamme rußt stark.
Die Pinzette wird dieses Zusammentreffen wohl nie ganz überwinden. 😉
Geruch ist vorhanden, aber nicht tragisch.
Es bleibt eine feste, dunkle, kugelförmige Masse zurück, die sich nicht komplett verreiben lässt, sich dabei sandig anfühlt und auch so klingt.
Ich fühle mich in meiner Vermutung (reine Synthetik) bestärkt und tippe nun auf Polyester als Hauptbestandteil.
Und wieder habe ich bzw. der Kerl und ich nicht beachtet, dass ein Video nicht nur die interessanten Geräusche aufnimmt…sondern alle…
Ein Video vom Verreiben der Rückstände habe ich auch nicht…
Anfängerfehler. Sorry.
Nun war ich angefixt und habe eine bekannte Fasermischung an die Flamme gehalten.
Webware aus 70% Baumwolle und 30% Seide.
Der Stoff fängt gut Feuer (ich bilde mir ein es ist etwas langsamer als bei der reinen Baumwolle) und brennt ruhig, leise und gleichmäßig ab.
Die Stoffränder kräuseln sich leicht ein und kleine, glühende Punkte ziehen sich wie Glühwürmchen durch das ganze Stoffstück.
Das fand ich sehr faszinierend und wunderschön. Ich habe mehrere Stoffproben verbrannt und es sah jedes Mal so toll aus.
Der Geruch ist dezent bis leicht nach verbranntem Haar.
Es bleiben zarte, helle Rückstände, die sich leicht, leise und vollständig verreiben lassen.
Wahrscheinlich ist der Seidenanteil zu gering um (für mich) wahrnehmbare Auswirkungen auf das Brenngeräusch und die Rückstände zu haben.
Nun wollte ich eine reine Naturfaser tierischer Herkunft sehen.
Ich hatte einen Schnipsel Jersey aus reiner Merinowolle.
Der Stoffschnipsel fängt schwerfällig Feuer, brennt kurz mit kleiner Flamme, wirft Blasen und erlischt schnell.
Wenn man die Wolle länger in die Flamme hält, brennt sie unruhig und brodelnd.
Ohne Kontakt zur Flamme erlischt sie aber auch wieder.
Der Geruch ist intensiv nach verbranntem Haar.
Es bleiben blasige, dunkle Rückstände, die sich leicht aber nicht vollständig verreiben lassen.
Gefühl und Geräusch sind sandig.
Ich habe kurz vermutet, beim Kauf über’s Ohr gehauen worden zu sein. Die Flamme, die Geruchsintensität und das Verhalten der Rückstände hatte ich bei einer natürlichen Faser nicht erwartet. Aber auch hier hat mich der Blick ins Buch beruhigt…nicht nur Synthetik brennt brodelnd und stinkt. Ok. Alles gut.
Zum Abschluss der Kennenlern-Runde fehlte noch eine Chemiefaser mit natürlichem Ursprung.
Hier musste der Jersey aus Modal (mit 5% Elastan) herhalten.
Der Stoff fängt gut Feuer und brennt ruhig, leise und gleichmäßig ab.
Die Stoffränder kräuseln sich dabei ein und die glühenden Punkte bewegen sich langsam und lange.
Mindestens einen großen Funken konnte ich ausmachen.
Der Geruch ist dezent bis neutral.
Es bleiben zarte, helle Rückstände, die sich leicht, leise aber nicht ganz vollständig verreiben lassen.
Die bleibenden Rückstände sind aber nicht hart sondern eher weniger trocken bis zäh.
Den sichtbaren Funkenschlag führe ich auf den Synthetikanteil oder die chemische Verarbeitung der Faser zurück.
Die schlecht verreibbaren Rückstände kommen wahrscheinlich (auch) vom Elastan.
Soweit so verqualmt.
Mehr Anschauungsmaterial zur Brennprobe kommt im nächsten Teil.
Dann auch hoffentlich etwas strukturierter und ohne seh- und hörbare Anfängerfehler.
Alle anderen Brennproben-Episoden:
2. Teil
3. Teil
4. Teil
Danke fürs Zeigen. Sehr interessante Videos.
Freu mich, dass es die Videos jetzt auch bei Dir aufm Blog gibt, wo man sie besser wiederfindet als auf Instagram.
Lieber Gruß Muriel
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Das ist schön zu hören. Danke und liebe Grüße zurück.
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Interessante Studie; amüsiert habe ich mich über den Hashtag „Kläffer“
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Danke. Ja…der Hashtag ist mir so rausgerutscht. Das kleine, weiße Hündchen ist halt auch sehr extrovertiert. 😜
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Brennproben sind richtig lustig, habe im Urlaub mit meiner Mutter auch ein bisschen gezündelt. Nur woher bei einem Stoff die grüne Flamme kam ist noch immer ein Mysterium.
Lg Sabine
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Ja das stimmt. Nach einigen Runden bin ich auch noch nicht so schlau wie erhofft. Das ist eine Wissenschaft für sich, aber es macht Spaß. Liebe Grüße zurück!
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Danke dafür. Nun kenn ich eine Metode um Stoff zu bestimmen. Die wird mir in Zukunft sehr helfen.
LG Marion
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Das freut mich sehr. 😊Liebe Grüße zurück!
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Hab die Modeschule besucht ( bin 1956 geboren) und damals war es so,
dass man NUR mit dem FADEN die Brennprobe machte.
Kette und Schuß können ja auch aus unterschiedlichen Mischungen bestehen !
Weiterhin alles Gute
und DANKE, dass Du dieses Thema publik machst !
GLG
Gina
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Vielen Dank für den wertvollen Hinweis!
Liebe Grüße
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